Mission Waldlust: Azubis sanieren die Eingangshalle der Waldlust

„Mission Waldlust“. Dahinter steht ein erstmaliges Zusammenspiel zwischen ehrenamtlicher Denkmalschutzarbeit und handwerklicher Ausbildung. Partner und Akteure sind die Denkmalfreunde Waldlust und das Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade des baden-württembergischen Stuckateurhandwerks, Initiator der Kampagne.

16 Stuckateure in Ausbildung kümmern sich mit Feuereifer um die Sanierung der Eingangshalle.

Junge Handwerkstalente im "Lost Place"

Binnen nur eines Monats soll das einstige Nobelhotel Waldlust ein neues, historisch stimmiges und an vergangene Blütezeiten anknüpfendes Hallen-Entrée erhalten.

Das ehrgeizige Projekt für den Erhalt des gerne als „Lost Place“ (vergessener Ort) titulierten Kulturdenkmals nennt sich bezeichnender Weise „Mission Stuckateur“. Dahinter steht ein erstmaliges Zusammenspiel zwischen ehrenamtlicher Denkmalschutzarbeit und handwerklicher Ausbildung. Partner und Akteure sind die Denkmalfreunde Waldlust und das Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade des baden-württembergischen Stuckateurhandwerks, Initiator der Kampagne. Seit dem Pfingstwochenende und über einen Zeitraum von insgesamt 5 Wochen sollen junge Auszubildende des Fachverbands im denkmalgeschützten alten Grandhotel nicht nur einen faszinierenden Geschichtsort kennen- und erspüren lernen, sondern sich vor allem auch an seiner Instandsetzung und Restaurierung schulen.

Die jetzt gestarteten Projektwochen bilden eine außergewöhnliche, vielversprechende Win-Win-Situation für beide Seiten. Die Denkmalfreunde kämpfen seit Jahren für den Forterhalt des malerischen alten Kurhotels. Das zog früher europäische Hochadelskreise ebenso an wie den internationalen Jetset oder die Filmprominenz aus Hollywood. Leider fehlen für eine Generalsanierung bisher die finanziellen Mittel oder es mangelt an handwerklichen Kapazitäten.

Das Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade in Leonberg unter seinem rührigen Leiter Frank Schweizer ist indes brennend interessiert an spannenden wie herausfordernden Aufgabenstellungen. Der Zufall führte Schweizer vor 2 Jahren ins ehemalige Grandhotel Waldlust. Im Rahmen einer Denkmalführung und angestachelt von der kunstvollen wie gefährdeten Architektur des Bauwerks keimte die Projektidee: Eine Nachwuchs-Kampagne für die Sichtbarmachung des gerade für historische Bauten so eminent wichtigen Handwerksberufs. Frank Schweizer, Restaurator und Stuckateurmeister: „Wir möchten unseren Einsatz an diesem polarisierenden Ort als Kommunikationsthema für die Nachwuchswerbung nutzen.“ Die Arbeiten der Stuckateur-Azubis in der Waldlust – die meisten im 3. Ausbildungsjahr – sollen mithelfen, andere junge Leute für diesen Beruf und seine vor allem auch Werte bewahrende Vielseitigkeit zu begeistern.

Bei der Auswahl der Tätigkeitsfelder hätte Freudenstadts legendärer Belle Epoque-Palast wahrlich eine üppige Palette anzubieten. Von offen liegendem Ziegelmauerwerk am 20-er Jahre-Saalbau bis zu aussandenden Putzen oder brüchigen Wandpartien in den Gesellschaftsräumen. Die erste Wahl fiel aber auf den zentralen Eingangsbereich. Der nach dem Gründerzeit-Architekten benannte Vittali-Trakt von 1903 mit seiner „Englische Halle“-Architektur wurde wohl in den späten 80-er Jahren durch braunfurnierte Holztäfer-Einbauten, durch neuzeitliche Lamperien an den Wandsockeln und das Auskleiden der herrschaftlich-eleganten Torbögen seiner Vollkommenheit und Ausdruckskraft beraubt.

Die Stuckateur-Azubis werden daher nach den Gestaltungsplänen des Architekten und Denkmalfreunde-Vorstandsmitglieds Matthias Jarcke und der Innenarchitektin Sabine Ludwig, beide Freudenstadt, die ehemalige Empfangshalle, die Portiersloge, die Haupthalle und den alten Damensalon in ihr ursprüngliches Zeitkolorit zurückversetzen. Das bedeutet den Rückbau der unpässlichen Wandbekleidungen und auch der rissigen, teils abplatzenden Latexfarbe-Übermalungen. Im Anschluss daran steht die Neufassung der Wände und Deckenelemente mittels Kalkputzen und mineralischer Farben an. Die historischen, aber zum Teil verschachtelten Torbögen werden komplett freigelegt und zu Raumwirkung gebracht.

Angeleitet werden die aufwändigen Arbeiten der Auszubildenden-Teams von Meistern und Restauratoren des Überbetrieblichen Ausbildungszentrums Leonberg. Die Denkmalfreunde Waldlust begleiten das Ganze als Gastgeber organisatorisch und mitarbeitende. Die ersten Tage haben bereits Überraschungen und schöne Neuentdeckungen ans Tageslicht gebracht. In der nun wieder von einer ausladenden Putz-Tonnendecke überwölbten Eingangshalle wurden ganze Wandpartien mit strahlend schönen, originalen Jugendstilfliesen freigelegt.

Unter der Haupthalle-Ebene liegt überdeckt von einer dicken Bauschuttlage der allererste Waldlust-Hotelzugang mit seinen Bodenfliesen und seinem Treppenaufgang verborgen. „Ein absoluter Jahrhundert-Fund“, schwärmte der am Umbauprojekt mitbeteiligte Vertreter des Denkmalvereins Freudenstadt.

Solche baugeschichtlichen Entdeckungen schaffen auch Sensibilisierung für den Erhalt und den probaten Umgang mit schützenswerter Bausubstanz. Eine wichtige Lerneinheit für den Handwerks-Nachwuchs.

Die Aufwertung und Historisierung der Waldlust-Eingangssäle sind übrigens keine Kunst um der Kunst willen. Sie sind Teil eines ganzheitlichen, von Jarcke/Ludwig aktuell entwickelten Architektur- und Raumplanungs-Konzepts, welches das ehemalige Hotel in einen zeitgemäßen Nutzungs-Mix aus Stilhotel, Eventlocation, Kaffeehaus, Tagungsstätte sowie Kunst-, Geschichts- und Kurerbe-Museum überführen soll.

Die „neuen“ Lobby-Hallen sollen schon ab Juli für das drei Monate dauernde Kunst-Festival Waldlust, also für Publikum und Besucher, zur Verfügung stehen. Das wird veranstaltet von den Denkmalfreunden zusammen mit der HfG Karlsruhe, der Hochschule Offenburg und der Kunstakademie Stuttgart. Einer der Empfangs-Salons wird eine Museums- und Archivalien-Sammlung zur Kurhotel- und Stammgäste-Geschichte der Waldlust beherbergen.

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