Kronleuchter

Zum Jubiläum 100 Jahre Grandhotel-Erweiterung Waldlust Mitte dieses Jahres soll der alte Ballsaal-Kronleuchter wieder in einstiger Pracht erstrahlen.

Für den einzigartigen Jugendstilleuchter, der beim großen Eröffnungsball im alten Festsaal des Hotel Waldlust am 22. Juli 1922 erstmals brillieren durfte, haben die Restaurierungsarbeiten begonnen. Betraut mit dieser aufwändigen, diffizilen und viel Feingespür verlangenden Aufgabe ist die Freudenstädter Familie Hör vom alteingesessenen Uhren- und Schmuckgeschäft Krieg in der Straßburger Straße.

Als vor erst wenigen Wochen, im Dezember, die Idee geboren wurde, den Original-Lüster wieder instand setzen zu lassen, war Michael Hör von dem Auftrag gleich sichtlich angetan. Mit involviert neben dem gelernten Optiker, Uhrensammler und Uhren-„Doktor“ sind sein Sohn und Uhrmachermeister Jonathan Hör sowie Hörs Ehefrau Petra.

Der Verein Denkmalfreunde Waldlust, der in direkter Nachfolge des Denkmalvereins seit 3 Jahren das ehemalige Palasthotel betreut und unterhält, will mit diesem „Geschenk“ an die ehemalige Nobelherberge den geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten sozusagen die Krone aufsetzen. Der Waldlust-Leuchter zählt mit zu den besonderen Schätzen des denkmalgeschützten Hauses. Und der große Ballsaal ist ohne dieses Meisterstück mittig unter seiner eindrucksvollen Kassettendecke kaum denkbar. Die Zeit bis zum kleinen Festakt am 22. Juli wird hoffentlich hinreichen, um den schön erhaltenen Art Deco-Ballsaal mit dem Kristall-Lüster wieder auszustatten.

Das aus vielen Bleikristall-Einzelteilen und allerhand feuervergoldetem Bronze-Zierrat bestehende Kunstgewerk hat zuletzt eine im wahrsten Sinne des Wortes bewegte Geschichte hinter sich. Als der Hotelbetrieb Waldlust 2005 endete und das Haus ungewissen Zeiten ohne dauerhaften Schutz und ausreichende Sicherung entgegenging, nahm der damalige Denkmalverein den Leuchter vorsorglich von der Decke und übergab ihn dem Stadtarchiv zur Sicherungsverwahrung. Einige Zeit fristete das üppige Gehänge auf dem Dachspeicher des Rathauses. Bis ihn sich eine Filmproduktion im ehemaligen Hotel für Requisite-Zwecke wieder auslieh. Die Transportbewegungen, das Anbringen und die erneute Demontage setzten dem filigranen und ja auch altersgeschwächten Gebilde sichtbar zu.

Die Bleikristall-Steine glitzern nach dem Ultraschall-Reinigungsbad wie Edelsteine. Sie alle müssen jetzt nach Formgröße wieder in einem Kettenverbund aufgefädelt werden. Etliche der Verbindungsstifte werden neu legiert oder müssen auch durch neue ersetzt werden. Privatbild

Bei der letzten Retoure waren zahlreiche Kettengliedverbindungen aufgegangen, die Kristallsteinchen verschiedenster Größen mussten regelrecht zusammengeklaubt und in Eimern und Schachteln verstaut werden. Ein denkbar trostloser Zustand für ein Kunstartefakt, in dessen Lichtschein während der Glanzzeiten des Grandhotels gekrönte Häupter und die High Society aus der ganzen Welt einst tafelten, tanzten und Konversation trieben.

Weil die Leerstelle am Deckenfirmament im großen Speisesaal wie eine dauernde Mahnung wirkt und weil dieses Jahr im Sommer das Hundertjährige der Südflügel-Erweiterung Hotel Waldlust ansteht, entschlossen sich die Denkmalfreunde prompt für eine vereinsfinanzierte Restaurierung des ziemlich zerfledderten Leuchters.
Dieser hat bereits eine ergonomisch vorteilhafte Hängung in der Uhrmacherwerkstatt der Hörs gefunden. Der zweite Sohn der Familie, Valentin Hör, im Zimmermanns-Beruf tätig, baute mit Rahmenhölzern eigens ein Arbeitsgestell mit Deckplatte, an welcher das Leuchter-Gerippe jetzt fixiert und damit auch dreidimensional zugänglich ist.

Für die Restaurierungs- und Wiederaufbauarbeiten wurde das kahle Kronleuchter-Gerippe in ein eigens gefertigtes Holzgestell eingehängt. Auf dem Foto von links: Michael und Petra Hör sowie der Sohn und Uhrmachermeister Jonathan Hör. Bild: Denkmalfreunde Waldlust

Das Kunststück für Vater und Sohn wird sein, die tradierte und auf alten Fotos überlieferte Halbkugel-Form des Kronleuchters wieder herzustellen und dazu den ganzen Kristall-Klunker in strenger Rangordnung, von groß zu klein und umgekehrt, in feinster Drahteinhängung wieder zusammenzuführen. Grazile Nägelchen und Stifte mit gebogenem Ende (Ösen), die die Glassteinchen durchdringen, bilden die Bindeglieder.
Doch vor dem Aneinanderfügen müssen die Kristallelemente, die durch Rauch, Dunstabscheidungen und jahrzehntelange Staubablagerungen einen gelblich-grauen Überzug tragen und fast wie Bernsteine aussehen, gründlich gereinigt werden. Jonathan Hör nutzt dafür sein Ultraschall-Wasserbad und taucht die Steine dort in eine mild reinigende Lösung. Die ersten Ergebnisse sind frappierend: Die Kristalle glitzern und blinken wieder wie das Brillantgeschmeide einer wundervollen Juwelensammlung.

Oben eine gereinigte Schleife des Leuchters auf Samtpolster. Der Unterschied zwischen gesäubertem, poliertem Bleikristall und dem Bergezustand ist frappierend. Bild: Denkmalfreunde Waldlust

Mit Spannung wird auch zu verfolgen sein, ob denn alle Kristalle bis auf den letzten in den Aufbewahrungsschatullen geborgen sind. Vor 2 Jahren hatte eine Restauratorin im Rahmen einer Sichtung der Kronleuchter-Teile schon ihre Zweifel, ob sämtliche Teile zur Hand sind.
Für den Fall, dass einzelne Bausteinchen fehlen sollten, will Michael Hör seine Verbindungen zu einem Glasmacher im Erzgebirge oder zu Händlern auf der diesjährigen internationalen Schmuckfachmesse in München im Frühjahr spielen lassen.
Vor einer Wiederbeschaffung von Einzelbausteinchen stehen allerdings die mit geübtem Detailblick und viel Feingespür auszuführenden Arbeitsgänge des Wiederauffädelns der Kristallkörperchen auf die Kettenstränge, die jeweils von der Hauptrosette zur unteren Rosette führen. Außerdem müssen wohl zahlreiche Haltestifte neu bereitet und alte, noch Brauchbare entrostet werden.

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